Das Jubiläumstriptychon des Passionistenordens
Das Wort Triptychon (gr.) bedeutet dreigefaltenes / dreigeteiltes Bild und wird ausschließlich für religiöse Bilder (Ikonen) benützt. Darin verbirgt sich die Trinität, die dreifaltige Natur Gottes, Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist, Eins in Drei und zugleich Drei in Einem. Der überall seiende aber materiell nicht wahrnehmbare Gott, der inkarnierte und daher wahrnehmbare Gott in Christus und der Geist, die Verbindung zwischen Gott und der Seele im Menschen. Der Mensch als Gottes Spiegelbild, oder „Mikrogott“ birgt in sich ebenfalls eine Trinität: Körper, das materielle Körperkleid oder Fahrzeug der Seele, das Bewusstsein oder die von den Gedanken gesteuerte Aufmerksamkeit, und der Verstand (Logos),welche beide verbindet. Sowohl diese Welt als auch der Körper sind eine materielle Reflexion der geistigen Welt (des Paradieses) und des geistigen Körpers und ist weder unsere wahre Heimat noch unser wahrer Körper. Sie ist ein Exil-Ort ein Gefängnis in dem wir von Gott, wegen unseres Ungehorsams, verbannt wurden. Sie sind verglichen mit dem Paradies veränderlich, grob und primitiv wo das Negative, Unglück und Krankheit, Leid und Tod überwiegt. Ein Christus zugeschriebener Spruch aus dem Orient lautet: „Die Welt ist eine Brücke, gehe hinüber und baue kein Haus darauf“. Im Laufe des unendlich langen Aufenthaltes auf dieser „Brücke“ die wir doch zur Heimat gemacht haben, befindet sich unsere Seele in einem Dämmerzustand und hat die Erinnerung an ihrer himmlischen Heimat verloren. Heilige sind jene begnadeten Menschen, welche die Illusion dieser Welt erkannt haben und darunter leiden. Die Schmerzen der Trennung von Gott und der glückseligen Heimat ist so unerträglich geworden, dass ihnen der Aufenthalt in dieser fremden Welt zur Qual geworden ist.
Das Aufheben der irdischen Trinität ist die Voraussetzung für das Aufheben der himmlischen Trinität. Das erste wird erreicht, wenn unsere Gedanken, Worte und Taten übereinstimmen, und wir zur einen Einheit mit uns selber verschmelzen. Das zweite wird erreicht indem wir unsere Einheit, in die Einheit Christi verlieren, und zur Einheit mit dem Vater verschmelzen. In diesem Sinne ist jeder Mensch ein potenzieller Heiliger, in welchem Grade auch immer, weil jeder Mensch den Keim der Heiligkeit in sich trägt. Geschlossen bildet die Ikone als "Monoptychon" eine Einheit und aufgefaltet als Triptychon, eine Dreiheit.
Der Geist der Passionisten
Die ständige Erinnerung an Christi Leiden führt unweigerlich zur Kontemplation und Sammlung der Gedanken, so sehr bis kein Gedanke außer der an Christus bleibt. Ist diese „Gedankenleere“ erreicht und die Gegenwart Christi sichtbar geworden, verlässt die Seele, ähnlich dem Tod, das Körperbewusstsein und geht in der "Theoria " (Gottesschau) auf. „Ich sterbe täglich“, nach Paulus. Es ist jener Zustand der als himmlische oder mystische Ehe bezeichnet wird. Das ganze Leben und der Alltag ist Gott geweiht, denn nichts gehört uns. Der Körper ist der Tempel Gottes und alle Tätigkeiten werden, vom ständigen Gebet begleitet, zum Gottesdienst. Diese vollkommene Identifizierung mit Christi Leiden kann zu Stigmata (Wundmale) führen wie bei der hl. Theresa Neumann , dem hl. Franz von Assisi, dem hl. Pater Pio oder der hl. Gemma. Als Gottes Ebenbild, aber von ihrer Göttlichkeit getrennt wird die Seele (der Mensch) in dieser Welt, nach Hl Augustinus, immer unglücklich sein. Das ist die Ursache für alles Leiden in dieser Welt und der Glaube ist der Weg zur Erlösung. Dieses Verlangen brennt in jedem Menschen wie ein Feuer, von kaum wahrnehmbaren Funken wie bei Atheisten oder Agnostikern, bis zum lodernden Feuer wie bei den Heiligen. Nicht alle Volksschüler werden Akademiker und nicht alle Akademiker werden Doktoren: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Joh. 14, 2). Das ist bei den Altvätern die Wurzel der Sünde. Alles was nicht Gott geweiht ist, ob Denken, Sprechen und Handeln, was nicht von der Liebe zu Gott durchdrungen ist, ist Sünde. Jemand der zeitlebens in einer Höhle lebt und seine Sehorgane der Dunkelheit angepasst hat, kann sich das Licht der Sonne draußen nicht vorstellen. Je näher er aber dem Ausgang kommt, desto stärker wird das Licht. Christus ist in diese dunkle Welt herabgestiegen, um jene die nach dem wahren Licht verlangen hinaus zu führen. „Ich bin das Licht der Welt, wer mir folgt, der wird nicht wandern in der Finsternis“; aber „Das Licht kam in die Finsternis und die Finsternis hat es nicht begriffen". Wie in der Legende der Kinder, welche in den dunklen Labyrinthen, vom Minotaurus-Ungeheuer, halb Mensch halb Tier, gefangen gehalten werden. Vom tiefen Mitleid erfüllt, stieg eines Tages in diese dunkle Welt der junge Prinz Theseus, bezwingt das Ungeheuer und führt die Gefangenen in ihre wahre Heimat, nach Athen, hinaus. „Denkt nicht ich sei gekommen um Frieden auf die Erde zu bringen, ich bin nicht gekommen um Frieden zu bringen, sondern das Schwert, denn ich bin gekommen um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter.“ Christus ist nicht gekommen um das Paradies auf Erde zu bringen, sondern uns von dieser Erdengefängnis ins Paradies zurück zu holen. Heilige sind jene wenigen, die Christus nicht nachlaufen und "Herr, Herr" rufen, sondern ihm ins Paradies folgen. Sie leiden nicht nur, weil sie fern des Paradieses sind, sondern für Christus der um sie zu retten so viel Leid auf sich genommen hat.
Die Kreuzigung Christi
Alles was geschieht, ist von Gott seit Anbeginn der Zeiten geplant und gewollt. Er kennt Anfang und Ende aller Geschehnisse bereits vor ihrer Entstehung. Gott durchdringt die gesamte Schöpfung und ist überall und zu jeder Zeit all- gegenwärtig. Er kennt also jeden unserer Gedanken lange bevor sie in uns aufstehen. Der Glaube daran erfüllt uns mit Vertrauen und Zuversicht, dass alles was geschieht Gottes Wille ist, weil er das Wofür und Warum kennt. Alles hängt von Gott ab , alles kommt von Gott und alles ist in seinem Namen und von seiner Gnade durchdrungen. Niemand kann das Böse in der Welt als Gottes Absicht verstehen, die Überzeugung aber, dass alles in Gottes Schöpfung gut sein muss, „Gott sah, dass es gut war“ gibt uns die Zuversicht ist, dass Gottes Absicht nur gut sein muss, nur dass Gottes Mühlen mahlen langsam und auf einer Zeit hinaus, die nur er kennt. Es zu verstehen bedeutet, sich selbst als Gottes Eigentum und Werkzeug zu betrachten.
Ganz oben ist die segnende Hand Gottes, Zeichen, dass alles was in seinen Namen gemacht wird zum Segen für die ganze Menschheit gereicht. Er segnet das Herzenssymbol der Passionisten, Zeichen, Mahnmal und ständiges Denken für die Liebe und das Leiden Christi. Liebe und Leiden sind eine untrennbare Einheit, wie die zwei Seiten einer Klinge und Voraussetzung für das Heil. Das Herz steht deswegen oberhalb des Kreuzes, und wird von einem Oliven- und einem Lorbeer-zweig, Zeichen der Hoffnung und der Lobpreisung Christi, wie eine liebende Hand behütet. Es ist von der einen goldenen Aura, Gottes ewiges Licht, umhüllt und von Wolken beschützt, damit das Geheimnis nur Eingeweihten enthüllt werde. Links und rechts steht Sonne und Mond, Licht und Finsternis, Gut und Böse, Leben und Tod. Die Sonne blickt ängstlich und scheint entsetzt über das furchtbare Ereignis zu sein. Durch die innewohnende zentrifugale Bewegung des Lichtes bemüht sie sich die Distanz zu ihrer Licht-quelle zu verkleinern. Der Mond andererseits, als der dunkle Antipode zum Licht, blickt finster und halb-verschlafen und scheint über seinen Sieg zu triumphieren. Er wagt nicht näher heran, denn er wird durch die eigene zentripetale Bewegung der Dunkelheit auf Distanz gehalten. Der gleiche Abstand von Sonne und Mond zur Lichtquelle weist auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen hin, sich dem Licht oder der Finsternis, dem Guten oder dem Bösen zuzuwenden. Entsprechend hell leuchtend oder dunkel ist die Färbung der Wolken. Die beiden Engel über dem Gekreuzigten heben flehend ihre Hände zu Gott und bitten um sein Erbarmen, obwohl sie seine Absicht kennen. Der linke Engel beschützt die Sonne, und der rechte hindert die Dunkelheit sich auszubreiten. Aus dem heiligen Geist, der das Herzenssymbol trägt, entspringt das reinigende Wasser der Läuterung, welches in zweimal neun Kaskaden hinab strömt. Während sie die dunklen Wolken der Finsternis um das Feuer der Sünde löschen, schiebt sich der senkrechte Kreuzbalken hinauf zum heiligen Geist. Der ungleiche Abstand von Christi Armen am Kreuz, verstärkt das Gewicht des kraftlosen, nach unten hängenden Körpers, um die Dramatik des Leidens noch zu steigern. So scheint sich Christus in einem stummen inneren Dialog mit seiner mitleidenden Mutter zu befinden, als wolle er sie trösten. Die hl. Maria streckt ihren zarten Körper hinauf und versucht ihren Sohn in ihre Armen zu schließen, zögert aber, weil sie in den Plan Gottes nicht eingreifen will. Rechts vom Gekreuzigten steht der hl. Paul vom Kreuz, stellvertretend für den hl. Johannes. Der Lieblingsjünger Christi war der einzige, der seinen Meister bis zum Tod begleitet hat. Seine Körperhaltung zeigt tiefe Traurigkeit und Ohnmacht, aber zugleich seine demütige Hingabe an den Willen Gottes. Über den beiden schweben die klagenden Engel, die nicht glauben können, was mit ihrem Herrn geschieht; sie stehen für die Ohnmacht und das Unverständnis der Menschen. Das Kreuz durchbricht wie ein Feuerkeil die harte Erde (Symbol für den menschlichen Körper, in dem sich Licht und Dunkelheit , Gut und Böse im ständigen Kampf mit einander befinden) bis hinunter zur Unterwelt, um die Seelen die vom Dämon der Hölle gefangen gehalten werden zu befreien. Das Blut Christi verbrennt wie glühende Feuertropfen den Wächter der Unterwelt und zieht den Stachel des Todes für all jene, die gerettet werden wollen heraus.
Die Kreuzigung besteht aus zwei Dreiecken. Das Himmlische beginnend mit der segnenden Hand Gottes, breitet sich über in Sonne
und Mond, die Verlängerung der beiden Engeln hinab und ruht auf dem Querbalken des Kreuzes. Das Irdische beginnt vom Kopf Christi in der Mitte des Kreuzes, breitet sich
über die klagenden Engel, über die Mutter Gottes und den hl. Paul bis zur Unterwelt. Beide Dreiecke werden in einer
geraden Linie, beginnend von der Hand Gottes, über den heiligen Geist, den senkrechten Kreuzbalken bis hinunter in die Unterwelt miteinander verbunden. Gott ist der Herr beider
Welten und Christus die Leiter zwischen den beiden.
Die Heiligen
Heiliger Paul vom Kreuz
Die Kreuzigungsdarstellung ist dem Hl. Paul vom Kreuz geweiht, dem Gründer des Passionistenordens. Seine mystische Identifikation mit dem Leid des gekreuzigten Christus wurde zum Grundpfeiler für die Spiritualität der Passionisten. Die Vorstellung, dass Gott seinen eigenen Sohn geopfert hat um ihn von seinem selbst-verschuldeten Leiden zu befreien, war für ihn unfassbar und un-begreifbar. Dass Christus solch entwürdigende Demütigungen auf sich genommen hat und zuließ wie ein Verbrecher behandelt zu werden, erfüllte den Heiligen Paul mit Entsetzen über das Ausmaß der Ungerechtigkeit. Ungerechtigkeit nicht allein vom weltlichen Standpunkt aus, sondern weil Christus stellvertretend für ihn sein Leben hingegeben hat. Der Gedanke, dass Christus für seine Missetaten büßen musste war für ihn unannehmbar. Er fühlte sich so sehr in Christi Schuld, dass er von nur einem Gedanken erfüllt war, sich mit Christus am Kreuz zu sein. Wie ein Dolchstich war diese Vorstellung in seinem Herzen eingedrungen, dass es zu dieser mystischen Vereinigung kam. So stark war der Schmerz in seinem Herzen für das Leiden, welches der unschuldige Christus für ihn den Schuldigen erdulden musste, dass er jede Freude an das Leben verlor. Wenn Christus einem Räuber die Zusicherung gab mit Ihm im Paradies zu sein, nur weil er bereut hatte, um wie viel grösser muss die Zusicherung an ihn, Paul gewesen sein, ihm zu erlauben neben ihm den Kreuzestod erleiden zu dürfen! So groß war sein bedingungsloses Aufgehen in das Leiden Christi, dass Christus, aus tiefstem Mitleid für die Seelenpein des Heiligen, nicht anders konnte als ihm die Gnade zu gewähren, sein eigenes Kreuz mit zu tragen. So mächtig war das Verlangen des hl. Paul, stellvertretend für Christus leiden zu dürfen, dass sein Herz zu einem einzigen Stigma wurde. Das Leiden Christi wurde seine Nahrung, Brot und Wasser. Um an diesen Schmerzen stets erinnert zu werden, trug er in der Herzensgegend das schwarze Herzenssymbol der Passionisten mit der Leidensreliquien Christi. Der Spruch, (für) Christus leiden, ist ein schweres Erbe, Versprechen und Lebensbegleiter des Ordens.
"Nicht ich, sondern Christus lebt in mir". Das Verlangen Christi Leiden mitzutragen, trieb viele Frühchristen freiwillig in den Märtyrertod. Für Christus zu leiden bedeutet für die ganze Menschheit zu leiden.
Heilige zu lieben ist gleich Christus zu lieben, denn sie sind die personifizierte Liebe Christi; denn nicht nur sie allein, sondern alle die ihnen zuwenden werden das Heil erlangen. Berührt von diesem Geist und der metaphysischen Tiefe, weihte ich die Kreuzigungsdarstellung dem Hl. Paul vom Kreuz.
Heilige Gemma Galgani
Die Liebe der Hl. Gemma zu Christus war so groß, dass ihr das große Geschenk zuteil wurde, recht schnell mit ihrem Geliebten vereint zu werden. Dafür musste sie einen hohen Preis an physischen Krankheiten, begleitet mit Stigmata und seelischen Liebesqualen der Trennung bezahlen. Je kostbarer der Gegenstand der Liebe, desto größer der Preis. Will jemand etwas unbedingt zu eigen machen, ist man bereit alles, sogar das eigene Leben dafür zu Opfern. Mit ihren zum Gebet gefalteten Händen, hält sie wie in einer Umarmung den gekreuzigten Christus und Lilienblumen. Leid und Verlangen, Tod und Verklärung. So sehr war in ihr die Sehnsucht nach Christus, dass sie sich ihm durch das Gelübde der Keuschheit, körperlich, psychisch und seelisch, gänzlich hingegeben hat. Das ist was man mit „himmlische Ehe“ nennt, oder nach Paulus: “ Nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Und: „Ich spreche nicht von mir, sondern wie Gott es mir eingibt, das sage ich“. Es ist der Zustand wo der himmlische Eros den irdischen so sehr übersteigt, dass alle körperlichen /materiellen Verlangen ihren Reiz gänzlich verlieren. Nach dem Philosophen Sokrates ist der Körper die Leiter, worauf sich die Seele von dem animalischen hinauf zum göttlichen Eros steigen kann. Alle sinnlichen Freuden beginnen im Körper und enden im Körper, ohne die Seele im Geringsten beteiligt zu sein. Die Freude des Geistes jedoch beginnt im Körper und endet im Gott niemals. Zölibat hat mit Körperfeindlichkeit, Unterdrückung oder Askese nichts zu tun, es ist vielmehr die Verlagerung des Liebesverlangens vom Körper auf den Geist. Die durch die Sinne erzeugte Freude übt auf den Gott-Verliebten keinen Reiz mehr aus. Wenn ein Kind erwachsen wird, findet es keinen Gefallen daran mit Puppen zu spielen. Gott lebt in uns, daher ist unser Körper Gottes Kirche und als Kirche soll er benützt und behandelt werden. Die Gebeine der Heiligen werden deshalb verehrt, weil sie durch den Körper geheiligt wurden. Reinheit ist demnach, wenn nichts anderes im Herzen Platz hat als nur die Liebe zu Gott. Wir gehen dorthin wo unser Herz hängt, woran wir denken und zu dem werden wir.
Seliger Isidor De Loor
Der selige Isidor litt so sehr unter der Last der Liebe zu Christus die, wie es meistens der Fall ist, mit körperlichen Schmerzen verbunden war. Statt wie bei normalen Gläubigen, Heilung von Gott zu erbitten, betrachtete er dieses Leiden als ein Geschenk Christi und das geringste was er machen konnte, um Christi Leid zu mildern. Seine Schmerzen waren Preis und Glück zugleich. Überall und zu jeder Zeit sah er den Gekreuzigten vor sich als der Leitstern seiner Seele. Das Evangelium, Christi Leidensweg und Botschaft war seine Nahrung aber auch sein Kreuz. Christi Lehre ist ein steiler, steiniger und mit Dornen übersäter Weg, während die Pforte eng und niedrig ist. Das Buch, die Lehre Christi kann ohne die bedingungslose Liebe zu ihm nicht nachvollzogen werden. Sie übersteigt die schwache menschliche Natur, welche unter der Last der Leidenschaften nicht die Kraft hat, um der Sünde zu widerstehen. Das Opfer der Selbstleugnung ist jenseits der menschlichen Grenzen. Um diese unüberwindlichen Schwierigkeiten aufzuheben, kam Christus und der Weg dazu ist seine Liebe. Christus bietet uns seine Liebe an, verlangt aber dafür unsere Liebe. Ihn zu lieben bedeutet seine Gebote halten. Wir können seine Gebote nicht befolgen ohne seine Liebe und um seine Liebe zu gewinnen, müssen wir ihn lieben. Christus lieben bedeutet, stets an ihn und den unsäglichen Schmerzen die er für uns erduldet hat zu denken. Die ständige Erinnerung über das Leid Christi in seinem Herzen, gab Sl. Isidor die Kraft, die Last des Kreuzes durch seine körperlichen Schmerzen und den frühen Tod zu tragen.
Heiliger Gabriel Possenti
Der heilige Gabriel, so wie der hl. Franziskus und viele andere gehören zu jenen Heiligen, die den Ruf Gottes nicht bei der Ge-burt sondern erst später, meistens nach einem Schockerlebnis, vernommen haben. Ihm wurde die Sinnlosigkeit und Vergänglich-keit dieser Illusionswelt nach schweren physischen Leiden und nach oftmaligen Marienmahnungen bewusst. Seitdem übergab er sich der Muttergottes wie ein kleines Kind und überlies sich ihrer grenzenlose Fürsorge. Für die Gläubigen und noch mehr für die Heiligen, geht die Liebe zu Christus wesentlich leichter über die Verehrung der Muttergottes. Als erste Bezugs-, Liebes- und Ver-trauensperson des Kleinkindes ist die Mutter nachsichtiger und verständnisvoller mit all seinen Verfehlungen. Mit der spirituellen Reife wächst das Verlangen nach mehr Gnade von Gott so sehr, dass dieses nur durch Christi Aufforderung: “werdet vollkommen gleich wie der Vater im Himmel vollkommen ist“, möglich ist. In diesem Zustand ist sogar die geringste Verfehlung eine Sünde.
Glaube und Tod sind untrennbar miteinander verbunden; sich Gott zu widmen bedeutet für die Welt zu sterben. Daran soll die schwarze Ordenskleidung erinnern. So trägt der Mensch den Tod in sich und wenn das Leben nicht von Gott erfüllt ist, ist der Mensch tot. Das was lebt ist die sterbliche Hülle, das materielle Vehikel, welches solange „lebt“ solange die Seele in ihm eingesperrt ist. Sobald die von Gott bestimmte Aufenthaltszeit beendet ist, legt die Seele diese materielle Kleid wieder ab, und kehrt zum Ort im Himmel zurück, den sie bereits auf der Erde durch ihre Lebensweise geschaffen hat. Nicht der Mensch hat also eine Seele, sondern die Seele hat einen Menschen, so wie nicht das Haus hat einen Menschen, sondern der Mensch hat ein Haus. In diesem Sinne stirbt beim Tod das. was ohnehin sterblich ist.
Der Heilige lebt in einem ständigen Dialog mit seinem eigenen Tod wie mit einem treuen Diener auf Erden den er zurücklassen wird. Poetisch gesehen sind Leben und Tod wie die zwei Seiten einer Medaille, wie die Sonne, die auf der einen Seite der Erde stirbt um auf der anderen wieder geboren zu werden. Beides wird vom Geist Gottes, der Heiligen Schrift getragen und bestimmt. Der Heilige hat seinen Tod, der jeden Augenblick eintreten kann, stets vor Augen. Er ist nicht nur bereit zu sterben, sondern kann die Zeit endlich „nach Hause“ zurück zu kehren, nicht erwarten. Er lebt jeden so Tag als wäre er sein letzter, denn sein Verlangen nach Gott ist so stark, dass er seinen Tod mit Freude erwartet. Er strebt deswegen danach vor dem Tod zu sterben; nach Paulus: "Wenn Du stirbst bevor Du stirbst, wirst Du nicht sterben wenn Du stirbst". Die Liebe zu Gott ist stärker als das Leben, daher stirbt er täglich und steigt mit Paulus bis in den "dritten Himmel". Er hat vor dem Tod keine Angst eher hat er Mitleid mit ihm, denn nicht er wird sterben, sondern der Tod. Der Tod sieht auf den Heiligen mit angstvollen „Augen“ als bitte er ihn, er möge ihn nicht verlassen. Der Tod lebt durch die Seele, daher hat er Angst vom Leben und nicht das Leben von ihm. Er ist deswegen bestrebt den Menschen mit allen möglichen materiellen Verlockungen an das Leben zu fesseln, um selbst wie ein Parasit weiter leben zu können. Die Heiligen sagen, wenn es einem Menschen gelingt sich vom Tod zu befreien bevor der Tod von ihm Besitz ergreift, was im Allgemeinen beim Sterbender der Fall ist, erleidet der Teufel furchtbare Qualen. Dieses "Sterben" ist nicht metaphorisch, nicht hypothetisch, nicht symbolisch, sondern real wie es beim physischen Tod ist und heißt bei den Altvätern: "Die Kunst des Sterbens" Nur jene, die den Tod im Leben kennen, werden als lebendig betrachtet. Der Heilige lebt mehr im Jenseits als im Diesseits, wann immer er es wünscht. In diesem Sinne ist der Tod besiegt und verliert seinen Stachel. Neben dem Totenkopf auf der Heiligen Schrift liegt ein Gelenkbein in der Form einer Keule, mit der Kain seinen Bruder Abel erschlug. Es symbolisiert die Gewaltanwendung der Menschen untereinander, sogar im Namen Gottes. In Anbetracht der Lebenskerze die immer kleiner brennt, werden alle unsere täglichen Kleinkriege von der Unausweichlichkeit des Todes, der jeden Augenblick eintreten kann, bedeutungslos.
Seliger Domenco Barberi
Er war der Gelehrte unter den Heiligen und Verfasser theologischer Literatur. Gott spricht zu den Menschen auf zweierlei Weise: entweder direkt über das Herz zu den "Einfachen im Geiste", die glauben ohne hinterfragen zu brauchen ("glaube und forsche nicht"), oder indirekt über den Verstand, zu den kompliziert im Geiste intellektuell gesinnten Gelehrten, die nicht ohne logische Beweise glauben können ("überprüft die Schriften"). Einfach im Geiste sind gutmütige Menschen, die ein kindliches Vertrauen haben und daher empfänglich für die Botschaft Christi sind; sie brauchen für den Glauben keine Beweise. Intellektuelle, dagegen, können ohne vernunftmäßig verstanden und logisch bestätigt zu haben nicht glauben. Sie studieren und erforschen die Schriften durch Schlussfolgerungen, Exegesen und Zitatvergleiche, so lange bis sie Handfeste "Beweise" haben. Andererseits neigen Menschen die aus Armut und Charakterschwäche glauben zum Fanatismus und zur Gewalt. Sie verdrehen Schriftenzitate um ihre niedrigen Aggressionen gegenüber besser gestellten Menschen abzuragieren. Wiederum können gebildete Gläubige die Schriften verstandesmäßig besser erläutern. Die andere Seite ist, dass ihre Interpretationen oft so weit von auseinander abweichen, dass es zur Spaltungen und Sektengründungen kommt.
Noch wahrheitsgetreuer können aber Heilige, durch ihre
Vertiefung in den Geist Christ, seine Botschaft erklären. Nur ein Prophet kann einen anderen Propheten verstehen oder wer dem Propheten sehr nah gekommen ist. Je mehr die Liebe zu Christus
wächst, desto besser verstehen wie Seine Worte, was das Umsetzen in der Praxis möglich macht.
Die intellektuelle Beschäftigung verlangt Zeit, viel Zeit, welche auf Kosten der uns zugewiesene Lebensspanne geht. Das Leben ist Bewegung und Bewegung ist Zeit; die Zeit ist das wertvollste Kapital das wir haben, zumal wir nicht wissen, wie viel uns noch zum Leben bleibt. Wenn die Sanduhr abläuft, dreht man sie einfach um und die Zeit beginnt von neuem zu laufen. Die Zeituhr unseres Lebens ist aber für einen einzigen Gebrauch bestimmt, daher ist nur die obere Hälfte mit goldenem Sand gefüllt. Mit jedem einzelnen Korn das zerrinnt, zerrinnt unsere wertvolle Lebenszeit. Unsere Lebensdauer ist zwar von Gott bestimmt, aber die Länge wird nicht an der Anzahl der Sandkörner gemessen, sondern wie schnell oder wie langsam sie die Uhr verlassen. Je materieller wir leben, desto schneller vergeht unsere Zeit; je geistiger wir leben, desto langsamer zerrinnen die Zeitkörner und umso "länger" wird unser Leben innerhalb der vorgegebenen Zeit. Aus Sekunden können wir Stunden, Tage und Jahre machen.
Die zerronnene Zeit fällt unwiderruflich und für immer in eine Leere ohne Wiederkehr. Sobald die Uhr abgelaufen ist, lässt sie sich nie wieder umdrehen. Die goldene Farbe des Sandes deutet auf das wertvolle Menschenleben hin, welches so zerbrechlich ist, dass es jedes Moment umkippen kann. darum steht die Sanduhr auf der Tischkante, auf der Kante zwischen Leben und Tod. "Seid wachsam mit Eurem Licht, denn der Bräutigam kann zu jeder Stunde kommen wie ein Dieb in der Nacht". Unser Leben kann ohne jegliche Vorwarnung beendet werden, noch bevor wir es gelebt haben. Darum: "beeilt, denn die Zeit naht".
Engeln mit Leidensreliquien.
Die Engel mit den Marterinstrumenten werden üblicherweise beiderseits des Gekreuzigten dargestellt. Doch sie kommen außerhalb des Geschehens, weil sie dem Tod Christi vorausgegangen sind, denn die Gedanken gehen den Taten voraus. Bevor sich das Böse manifestiert, wird der Samen von außen im Herzen gesät. Dort nistet es sich ein und wächst zu einer giftigen Schlingpflanze heran, bis das Herz vollkommen verdunkelt wird. Vom Herzen aus sieht aber die Seele die Welt, von dort lieben wir und von dort steuert das Gewissen unsere Handlungen.
Solange Christus als ein gutmütiger Träumer betrachtet wurde, der zu den armen Fischern predigte und glaubte die Welt verändern zu können, sahen die Mächtigen nichts was ihre Macht gefährden könnte. Je beliebter aber Christus unter die Menschen wurde und nicht nur unter die armen, desto mehr wuchs ihre Angst, sie könnten ihren Einfluss und damit ihr reiches Einkommen einbüßen. Die mächtigen sind aber ohne die mächtige Masse der Menschen, welche in der Mehrzahl primitiven Gemütes sind, selber machtlos. Die Angst ist der fruchtbare Acker des Bösen und erzeugt Unsicherheit, und Verlust der Existenz-grundlage. Aus Angst werden die im Menschen schlummernden animalische Neigungen und die Überlebensinstinkte an die Oberfläche gebracht. Also verbreiten die Mächtigen angstmachende Gerüchte über die drohende Gefahr die von einem Menschen, einer Gruppe, einem Lande kommt und propagieren sich dann als die einzigen Retter. So kam es, dass jene Massen die kurz zuvor Christus, als den Messias bejubelten, seinen Tod wünschten. Sie werden blind, taub und hartherzig gegenüber ihrem Wohltäter, weil ihr Herz von der Schlingpflanze des Bösen verhärtet wurde. Bedingt durch den Umstand, dass je ein Engel pro Flügel dargestellt werden könnten, ergab sich der halbrunde obere Teil ideal für die Darstellung der heiligen Marterreliquien Christi. Es würde genügen, den vorhandenen Platz nur mit den Reliquien, welche zahlreich sind, auszufüllen. Die Symbole allein darzustellen schien mir zu wenig und zu dekorativ und würde vom Zentralgeschehen fern und getrennt wirken. Es würde dem Geschehen der Kreuzigung Christ, die Unmittelbarkeit der Dramatik fehlen. Also stellte ich zwei Engeln dar, welche die Leidensreliquien Christus wie ein Geschenk darbieten. Das Leid Christi ist das Geschenk Gottes an die Menschen, aber nur wenige Menschen nehmen dieses Geschenk an. Es ist eine Frage des Bedarfs, des Verlangens oder des Hungers, sonst gälte es Perlen vor die Säue werfen: „Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht begriffen“. Christus würde sich sogar für einen einzigen Menschen opfern wie der gute Hirte. Die Engel (Boten) tragen dieses blutige Opfergeschenk Gottes an die Menschen mit großer Bestürzung und Widerwillen, wie ihre Körperhaltung verrät.
Der eine hebt den Kopf zum Himmel als wollte er fragen, "warum mein Gott?" und der andere senkt seinen
Kopf als Zeichen des Gehorsams gegenüber seinem Willen.
Der Passionsweg
Die Jubiläumsikone für den Passionistenorden aus Maria Schutz anzufertigen begann etwa so, wie die Geschichte des hl. Christophorus. Ihm war keine Last zu schwer, solange er Menschen über den Fluss tragen musste; bis er eines Tages einen kleinen, scheinbar federleichten Knaben über den Fluss tragen sollte. Während des Überquerens wurde er immer schwerer, dass er in der Mitte des Flusses - dort, wo die Strömung am stärksten war - unterzugehen drohte. So schwer war das Kind inzwischen geworden. Als er endlich und mit großer Mühe das andere Ufer erreicht hatte war das Kind, welches sich als Christus zu er-kennen gab, wieder federleicht und Christophorus heilig geworden!
So unbeschwert und leicht - wie unter Freunden - verlief die erste Begegnung mit Pater Dr. Anton Lässer am 7 März 2018 im Quo-Vadis-Haus in Wien. Es ging um ein Jubiläumstriptychon anlässlich des 300-jährigen Jubiläums (720-2020) seit der Gründung des Ordens durch den Hl. Paul von Kreuz. Was nichts anderes als ein weiterer Ikonenauftrag zu sein schien, enthüllte sich nach und nach zu einem seelischen und später zu einem spirituellen Leidensweg, zu einer wahren Passion. Die vordergründigen Schwierig-keiten bestanden darin, aus verblichenen Malereien und unscharfen Photographien Ikonen zu malen, statt nach genauen und exakten Vorlagen, wie es die Tradition vorsieht. Weiters handelte es sich um einen mir gänzlich unbekannten Orden und damit um Heilige, zu denen ich keinerlei Bezug hatte. Während ich mit den Skizzen und der Art der Darstellung beschäftigt war, wurde mir langsam die Tragweite der Verantwortung, die auf mich lastete immer bewusster. Es sollte eine Ikone für einen kontemplativen Orden werden, welche nach einer Reise zu allen Niederlassungen um den Globus in der Wallfahrtskirche von Maria Schutz zur Verehrung aufgestellt werden würde. Es war also nicht eine x-beliebige Ikone für das Schlaf- oder Wohnzimmer eines frommen Gläubigen.
Über die technischen Schwierigkeiten und darstellerischen Probleme, die wie dunkle Wolken am Horizont aufsteigen würden, konnte ich noch nichts ahnen.
Das von mir gegebene Versprechen, die Ikone rechtzeitig fertig zu stellen (Ende August 2018) setzte zwei Ikonenmaler voraus, mich und meine Frau, die daran arbeiten würden. Bereits mit der Verzögerung des Triptychons durch den Kirchenholzschnitzer
begannen die Probleme. Nichts wollte klappen; Fehler welche nur blutigen Anfängern unterlaufen können und unerwartete Pannen technischer Natur verhinderten das Vorankommen. Es schien so, als hätten sich alle dunklen Mächte gegen die Fertigstellung der Ikone verschwört, so sehr, dass wir mit der Überlegung spielten, aus dem Vertrag auszusteigen. Das konnten wir aber auch nicht machen, denn die Zeit einen anderen Ikonenmaler zu finden, der in so kurzer Zeit das Triptychon anfertigen würde, war äußerst knapp. Der Gedanke jedoch, dass nur das Böse an dem Scheitern Interesse und Vorteil hätte, ermutigte uns der Versuchung zu widerstehen. Schließlich sind wir weder allein noch hilflos den ne-gativen Kräften ausgeliefert, solange wir auf Gott, den Schöpfer und Herrscher über alle Mächte bauen und mit ihm rechnen. Entmutigung, Enttäuschung, Traurigkeit, Depressionen, Sorgen, Unsicherheiten und Ängste, sind die Tricks des Bösen, den Menschen durch die ständige Beschäftigung mit der dunklen Seite seiner Seele, Gott vergessen zu lassen. Auf dieser Weise hätte der Böse ein leichtes Spiel gehabt, die Menschen dorthin zu lenken wohin er es wollte. Nach den Lehren der Altväter ist Angst die größte Sünde, denn es bedeutet kein Vertrauen zu Gott haben. Der Mangel an Glauben erlaubt es dem Teufel Gott aus unserem Herzen zu verdrängen. Das macht er entweder mit materiellen Verlockungen, die in uns ein vorübergehendes Scheinglück erzeugt (mit Zucker übergossenes Gift), oder indem er in der „Gestalt der Engel des Lichts“, in Visionen erscheint. Der Preis dafür ist Schmerz und Unglück, sowohl bei den einfachen Gläubigen als auch bei den Heiligen. Aller materiellen Gaben, ob irdisch oder himmlisch hinterlassen Leid, Schmerz und Unglück. Nicht weil der Teufel „böse ist“, schließlich gibt er den Menschen alles was sie sich wünschen. Der Teufel ist bloß der „Verwalter“ dieser Welt, die von Gott für die gefallenen Menschen als Reinigungsort geschaffen wurde. Er versuchte sogar, Christus in der Wüste mit Reichtümern und Ehren für sich zu gewinnen. Leid und Unglück, die den Menschen heimsuchen sind die Folge materieller Wünsche, die aus dem starken Verlangen nach Glück entsteht. Das Verlangen nach Liebe, nach Wohlstand, Ruhm und Anerkennung, mit rechten und falschen Mitteln zu erlangen und die Angst, sie wieder zu verlieren, erzeugt starke Gemütsfesseln. Der Versuch diese Gaben mit rechten und falschen Methoden zu beschützen, führt uns zu einer oft krank-haften Besitzergreifung. Dadurch werden wir zu Sklaven der vergänglichen Materie, verlieren wir unsere Seelenfreiheit, entfernen wir uns von Gott und huldigen, ohne uns dessen bewusst zu sein dem Teufel. Die Liebe sowohl zu den Menschen als auch zu den Gegenständen, bedingt durch die Vergänglichkeit dieser materiellen Welt welche unbeständig ist, unterliegt der Veränderung, dem Verfall und dem Tod. Das darauffolgende Leid ist nur eine Frage der Zeit, unwiderruflich und vorprogrammiert. Deswegen empfinden wir den Verlust des Glücks ähnlich dem eines gewaltsamen Todes oder eines Stachels im Herzen. Das darauffolgende Leid zwingt uns aber über das Warum und Wofür des Lebens nachzudenken, bis wir irgendwann die Vergänglichkeit und Sinnlosigkeit des bloßen materiellen Strebens erkennen und uns auf Gott hin ausrichten. Nur in der Not, wenn weder die eigene noch die Hilfe anderer uns helfen können, wenden wir uns Gott zu nach dem Spruch: „In Zeiten der Not werden die Kirchen voll und in Zeiten des Wohlstandes werden sie leer“, wenn man aber „Gott in Zeiten des Glücks nicht vergisst, vergisst er einem in Zeiten der Not nicht“. Manchmal hat der Teufel so ein leichtes Spiel mit den Menschen, oft zu leicht, wie beim Faust von Goethe. Die Menschen, beschwerte er sich bei Gott, machen es ihm so leicht, dass er sich mit ihrer Unterwürfigkeit langweilt und er verlangte nach einem, der ihm Widerstand leistet! Als der hl. Antonius, der vom Teufel mit allen Mitteln versucht wurde, endlich in den Himmel aufstieg, rief ihm der Teufel nach: Antonius, du hast mich besiegt. Nein, antworte dieser, du bist stärker als ich. Als er weiter in den Himmel hinaufstieg, rief ihm der Teufel nochmals nach, Antonius, du hast mich besiegt. Nein antwortete abermals Antonius, du bist immer noch der stärkere. Als Antonius schon vor dem Himmelstor stand, antwortete er: Ja, jetzt habe ich dich besiegt, denn: „Hochmut kommt vor den Fall" . Der Teufel ist also kein böser Dämon, sondern ein strenger und gerechter Lehrer. Er lässt niemanden aus seiner Schule entkommen, der nicht alle Tugend- Prüfungen bestanden hat. Das Leid der Heiligen andererseits entsteht aus der Trennung der Seele von Christus und dient der Stärkung des Verlangens nach ihm. Dieser Schmerz dauert solange an, bis sie die vollkommene Vereinigung mit dem Geliebten erlangt haben. Dieser Schmerz wird von immer sich steigernden ekstatischen Glückserlebnissen begleitet! Die heilige Thérèse von Lisieux hatte viele wunderbare mystische Erfahrungen mit Christus. Als sie ins Kloster eintrat, wurde sie sehr streng behandelt, erkrankte schwer, verlor alle mystischen Visionen und lebte in der „Nacht der Seele“ das Schlimmste was einem Mystiker passieren kann. Einmal rief sie verzweifelt von ihrem Krankenbett aus zu Christus: „Was willst Du noch von mir, warum quälst Du mich, willst du mich denn umbringen?“ „So behandle ich meine Freunde“ antwortete Christus. „Darum hast Du so wenig Freunde“ antwortete Thérèse glücklich, weil die geistige Verbindung wiederhergestellt war. Wenn aber Gott der Herr über alle Mächte ist, kommt dann nicht alles was kommt, von ihm? Hat er nicht alles mit Weisheit geschaffen und gesehen, dass alles gut war? Kennt er nicht Anfang und Ende aller Dinge und ist nicht alles gerecht, was von ihm ausgeht? Woher kommt dann all das Leid in der Welt, wenn nicht durch unsere Abkehr von ihm? Je weiter wir uns vom Licht entfernen, desto mehr Dunkelheit ist um uns. Der Teufel ist der Antipode von Gott und existiert, weil wir ihn durch die Zuwendung unserer Aufmerksamkeit „ernähren“. Es waren also keine dunklen Mächte und kein Teufel am Werk, die uns Böses antun wollten, sondern es war Gott, der unseren Glauben prüfen wollte. Es ist alles eine Frage des Verlangens, denn wohin die Aufmerksamkeit gerichtet ist, dorthin gehen wir, wo unser Herz ist, dort sind wir auch.
Die Schwierigkeit, realistische Vorlagen ikonographisch umzusetzen und der Umstand, dass ich und meine Frau ganz verschieden malen, führte uns zu dem Entschluss, dass nur einer -also ich alleine- das Triptychon anfertigen sollte. Damit begann mein Passionsweg, den ich musste mit den mir noch nicht vertrauten Heiligen in Verbindung treten, mich mit ihnen identifizieren, sie für mich gewinnen um empfänglich für ihre Hilfe zu werden. Schließlich musste ich in den mir verbliebenen drei Monaten die Ikone fertigstellen. was nach menschlichem Ermessen unmöglich war. Dazwischen kam eine seit einem Jahr geplante Ausstellung in der St. Michael Basilika in Mondsee anfangs Juli, die wir nicht verschieben konnten. Zum Glück hatte ich einen geräumigen Raum im Oratoriumsgeschoss zugeteilt erhalten, wo ich ungestört arbeiten konnte. Was Besseres hätte mir andererseits nicht passieren können, als die Ikone in einer Kirche zu malen!
Der tägliche Gang durch das Kirchenschiff führte mich an einem Seitenaltar vorbei mit einer übergroßen Holzskulptur des gegeißelten Christus. Der sehr realistische leidvolle Gesichtsausdruck nahm mich so sehr gefangen, dass ich glaubte, Christus spräche mit mir. Beim Betrachten dieser Skulptur erfüllte mich ei n tiefes Mitleid für die Schmerzen die Christus unseretwegen erleiden musste und anscheinend noch immer erleiden muss. Bald aber wurde mir bewusst, dass nicht ich, sondern dass es Christus war der mich voll Mitleid betrachtete und für meine Sünden litt! Er leidet nicht auf Grund der Folterungen die Er erlitten hat, sondern aus tiefem Mitleid für meinen (unseren) bemitleidenswerten Zustand. Seine Schmerzen sind meine Schmerzen, die er auf sich nimmt. Es war so, als wollte er sagen: "Siehe, wie sehr ich für Dich leiden muss." Der Gedanke. dass Christus so lange leiden würde, bis wir nicht erlöst sind, weil wir nicht nach seinem Geboten leben, hat in mir ein kleines Erdbeben ausgelöst. "Siehe, ich bin bei Euch bis an der Welt Ende"
Ich war also daran Heilige abzubilden (Ikone bedeutet ja heiliges Abbild), welche diese schmerzvolle Botschaft vernommen und danach gelebt hatten. Sie liebten Christus, weil er aus Liebe zu ihnen weit mehr gelitten hat und versuchen nach Paulus, durch ihr Leiden ein wenig vom Leid Christi sein Kreuz täglich auf sich zu nehmen (vgl. Kol 1, 24). Um leiden zu können, müssen sie ihn lieben, was nur durch das Befolgen seiner Gebote möglich ist. Das ist aber ein Passionsweg, denn Christus verlangt von uns nicht nur zu glauben, dass er der Sohn Gottes sei, sondern „vollkommen gleich wie der Vater im Himmel vollkommen ist“ zu werden. Sie können Christus nur dann wirklich lieben, wenn sie nichts anderes im Herzen haben als ihn allein, was zu einer vollkommenen Selbstverleugnung führt. Diesen Zustand nennt man mystische Vermählung der Seele mit Gott. Aber je mehr sie Christus lieben, desto mehr leiden sie unter der Trennung von ihm, denn diese Vereinigung hat keine Grenzen! Im Hohen Lied Salomons, werden die Trennungsqualen der Seele von Gott mit den Schmerzen einer liebenden Braut verglichen, welche sich nach der Vereinigung mit ihrem Bräutigam sehnt. Aber ähnlich beschreibt Johannes von Kreuz den Schmerz seiner Braut-Seele, nach der Wiedervereinigung mit dem geliebten Christus. Er vergleicht den Zustand der Seele mit einem Hirsch, der vom Pfeil des Jägers verwundet ist. Diese allegorischen Liebeslieder sind unter den orientalischen Dichtermystikern eine beliebte Gebetsform. Jene Heiligen, welche vom Liebespfeil Christi verwundet sind, sprechen vom „göttlichen Eros“. „Unruhig ist mein Herz bis es ruht in Dir mein Gott“ betet der hl Augustinus. Nur solche Gottverliebten können nach den Geboten Christi leben. „Wenn Ihr mich liebt, haltet meine Gebote“. Sich vollkommen zu verleugnen und für Christus leben verlangt sich selber täglich zu kreuzigen. Das Bezwingen der Leidenschaften, das Korrigieren aller Fehler, vor allem Christus ständig im Herzen zu haben, ist wahrlich eine Kreuzigung, so lange bis die Seele ihren Frieden „in Gott gefunden hat“. Diese Kreuzigung ist der Preis für die Liebe, der Nährstoff für den Glauben und das Reinigungsfeuer für die Seele, sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. Die irdische Liebe erniedrigt die Seele, weil sie durch ihre Identifikation mit dem sterblichen Körper, statt Gott, den Verfall liebt. Das sinnliche Glück ist be-grenzt und verursacht unsägliches Leid, weil es der Veränderung, dem Verfall und dem Tod unterliegt. Der brennende Schmerz der Liebe gleicht dem Verbrennen der Motte im Licht.
Als zehnjähriger Junge verliebte ich mich in eine zwanzigjährige Lehrerin. Einmal umarmte sie mich, küsste mich, indem sie das bekannte Hirtenlied sang: „Du bist zu jung um den Schmerz der Liebe zu ertragen“ und verschwand für immer aus meinem Leben. Die Liebe der Menschen zueinander und zu den Gegen-ständen wird deswegen von den Altvätern nicht Liebe, sondern leidvolle Bindung bezeichnet, welche zerstört und verbrennt. Die größte Freiheit ist die Abhängigkeit von Gott, heißt es, denn „Gott dein Herr ist ein eifersüchtiger Gott“ und duldet niemanden neben sich, denn die Seele ist sein. Die Seele sehnt sich nur nach Gott und kann mit keiner anderen Art der Liebe glücklich sein. Die Liebe des Menschen verursacht immer Leid, es sei, sie geht über die Liebe zu Gott. Auf diese Weise „filtert Gott“ die Liebe von allen Unreinheiten und entfernt den Stachel des Todes. Die Welt ist ein Jammertal und das Leben ein einziges Leiden, schreibt Arthur Schopenhauer. Nur wenn wir uns Gott so anvertrauen wie das Kleinkind der Mutter, sorgt er, dass wir wie die „Blumen auf dem Felde und die Vögel am Himmel“ leben. Niemand kann aber den abstrakten, unsichtbaren, absoluten Gott lieben, denn das Endliche kann das Unendliche nicht erfassen und das Sterbliche das Ewige nicht verstehen. Wäre dies möglich gewesen, wäre seine Fleisch/ Inkarnation/ Menschenwerdung in Christus und seine grauenvolle Kreuzigung nicht notwendig gewesen.
Darauf basiert die Berechtigung und Notwendigkeit der Ikone. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich (die Ikone Gottes)“. Heilige sind jene, deren Liebe zu Gott so stark ist, dass sie bedingungslos den mühseligen und leidvollen Weg Christi gehen; entsagen allem, verlassen alles, verleugnen sich selbst und werden eins mit ihm,denn „sein Weg ist steil und die Tür zu ihm schmal“. Sowie niemand zu Gott gelangen kann als nur durch den Sohn, kommt keiner zum Sohn denn durch die Heiligen. Der griechische Schriftsteller Nikos Kazanzakis (Alexis Sorbas, Franz von Assisi, die griechische Passion Christi) beschreibt in seinem autobiographischen Roman, „Rechenschaft an El Greco“ während seiner asketischen Zeit in der Wüste Sinai seinen Kampf mit Gott so: „Gott du bist ein Berg aus Granit, jeder der zu Dir will, zerbricht daran“ oder: „Gott du bist ein Scheiterhaufen, jeder der sich Dir nähert, verbrennt dabei“. Am Ende seines Lebens schreibt er: „Gott, ich habe Dich ein Leben lang gesucht und nicht gefunden, werde aber nie auf-hören, Dich zu suchen“
So ist es verständlich, warum die meisten Christen den Weg zu Gott über die Muttergottes und die Heiligen suchen. Während die Heiligen Prüfungen, Leid, Krankheiten, Erniedrigungen usw. dankbar auf sich nehmen, beten dagegen die Gläubigen zur Mutter Gottes und den Heiligen um genau das Gegenteil: Heilung von Krankheit, Wohlstand, guten Noten für die Kinder, Arbeit und Begünstigungen aller Art. Sowie Christus den Heiligen den Vater zeigt, zeigen uns die Heiligen Christus. Wollen wir zum König, so geht es leichter über einen Minister oder durch jemanden, der dem Minister nähersteht. Auf die gleiche Weise suchen wir im täglichen Leben die Gesellschaft von Menschen, welche unsere Bedürfnisse und Wünsche befriedigen. Nach solchen Menschen verlangen wir, diese Menschen bewundern, verehren, himmeln wir an, lieben und suchen ihre Nähe. Sie werden unsere Ikonen, ob sie nun Wohlhabende, Politiker, Schauspieler oder Popstars sind. Jeder Mensch hat eine vorherrschende Leidenschaft und die vorherrschende Leidenschaft der Heiligen ist Gott. Sie gehören zu jenen Auserwählten: „viele laufen mir nach und rufen Herr, Herr, wenige sind aber jene, die mir nachfolgen“. Auf die Frage: Warum nicht alle Menschen heilig werden können, also mit den gleichen Talenten des Glaubens ausgestattet, antwortet Christus mit dem Gleichnis über die Talente. Es gab einen Geschäftsmann, der, bevor auf Reise ging, dem einen Diener 5, dem anderen 10 und dem dritten 20 Talente zum Verwalten gab. Als er zurückkam hatte der eine aus 20 Talenten 40 erwirtschaftet, der mit 10 hatte 20 erwirtschaftet, aber der dritte versteckte die 5 Talente aus Angst sie zu verlieren, woraufhin der Kaufmann ihn entließ. Variante 1: Der Herr der seine Diener kannte, wusste wie viel er einem jeden anvertrauen würde und wie viel Last und Verantwortung ein jeder einzelne tragen konnte. Er war gerecht und wollte dem schwächeren eine Chance geben ohne aber sein Kapital zu riskieren. Variante 2: Der Herr wollte wissen, welcher seiner Diener das kaufmännische Talent hatte, um ihm sein Unternehmen anzuvertrauen. In beiden Varianten handelte er richtig und belohnte einen jeden nach dessen Fähigkeiten, etwas was ein jeder Geschäftsmann tun würde. Somit schließt sich der Kreis der Liebe. Christus, heißt es, gab sein Leben als Pfand für unser Leben, um uns von der Gefangenschaft des Todes zu befreien: „Lasset die Toten die Toten begraben“/ der Finsternis, „ich bin das Licht der Welt“ /der Unwissenheit, „ich bin die Wahrheit“/ und des Irrweges, „ich bin der Weg“. Nach den Altvätern ist diese Welt verglichen mit dem Paradies ein Ort der Finsternis und des Todes. Nach den antiken Philosophen ist die Welt eine Illusion, weil sie, als etwas Geschaffenes, also nicht Wirkliches, ein Spiegelbild (Reflexion) des Originals ist. Für den Philosophen Plato ist sie eine Schattenwelt, wie er es im Höhlengleichnis ver-deutlicht. Wir stehen am Eingang einer Höhle mit dem Rücken zum Licht und identifizieren uns mit unserem eigenen Schatten an den Höhlenwänden und sind selbst zum Schatten geworden.
Zar Peter der Große ging als Arbeiter verkleidet nach Holland, um die Kunst des Schiffbauens zu lernen. Dort, so erzählt eine Legende, arbeiteten an den Schiffswerken einige im Exil lebende Russen. Einige von ihnen beklagten ihr Los fern der Heimat zu sein und sprachen immer davon. Der Zar hatte Mitleid mit ihnen und versprach sie in die Heimat zurückzubringen, denn er habe Beziehungen zum Zaren. Die meisten konnten nicht glauben, wie einer gleich ihnen Beziehungen zum Zaren haben kann, zumal sie vom Zaren selbst aus der Heimat vertrieben wurden. Der Zar versicherte ihnen, dass er dafür sorgen werde, dass sie rehabilitiert würden. Einige deren Sehnsucht nach der Heimat so groß war und nichts zu verlieren hatten, glaubten und folgten ihm. Als sie am Zarenhof ankamen, bat er sie zu warten. Als sie in den Palast hineingeführt wurden, erkannten sie auf dem Thron ihren "Kollegen" und waren glücklich, dass sie geglaubt hatten.
Mit dem Leidenstod Christi verhält es sich etwa so, wie jemand der auf Grund einer großen Verfehlung ins Gefängnis kommt und einer der Mitleid mit ihm hat eine große Summe als Garantie hinterlässt, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Der Befreite verpflichtet sich aber, diese Kaution nach und nach zurück zu zahlen, sonst würde sein Wohltäter an seiner Stelle bestraft werden. Das Pfand Christi war sein leidvoller Tod; solange wir nicht unser Versprechen halten, zu dem wir uns bei der Taufe, den heiligen Sakramenten und dem Glaubensbekenntnis verpflichtet haben und solange wir unser Versprechen nach seinen Geboten zu leben noch nicht eingelöst haben, wird er weiterhin den leidvollen Kreuzestod sterben. Welch schreckliche Gedanke, wenn wir überlegen, wie wenig das uns kümmert! Hinter der Aussage "wen Gott liebt, den quält er", steckt eine verborgene Botschaft. Die Gabe der Heiligkeit ist eine Leihgabe Gottes den Menschen gegenüber. Es sind nicht die Heiligen die helfen, sondern Gott in ihnen. "Nicht ich lebe", sagt Paulus, "sondern Christus lebt in mir." Je fähiger ein Schüler ist, desto mehr Prüfungen legt ihm der Lehrer auf, nicht um ihn zu quälen, sondern um ihn noch besser zu machen. Auch wenn die Heiligen in einer Höhle fern der Menschheit und unbekannt leben, bleiben die Gaben der Heiligkeit bei ihnen. Da Gott in jedem Menschen wohnt, sind alle miteinander durch Gott verbunden und beeinflussen einander. In diesem Sinne, alles was ein Mensch denkt, spricht oder handelt, ob gut oder schlecht, bleibt nicht bei ihm allein, sondern überträgt sich auf jeden Menschen. Nicht nur das, sondern alles kommt irgendwann, auf Grund der Gottesverbundenheit, auf irgendeine Weise auf uns zurück. "Wenn ein Blatt vom Baum fällt, löst es auf der anderen Seite der erde ein Erdbeben aus.", sagt eine indianische Weisheit. Also niemand lebt für sich allein.
"Zeige mir deinen Freund und ich sage dir wer du bist". Wir sollen also jene Menschen zu Freunden machen, die uns Gott näherbringen und unabhängig davon, ob sie lebendig oder tot sind. Heilige sind aber niemals tot, sie sind lebendiger als wir "Lebende". Sogar die Reliquien der Heiligen sind lebendig, weil sie ihre heilige "Informationen" tragen - wie wären sonst Wunder und Heilungen möglich? Aber die heiligen sind nicht unsere Diener; sie dienen nur Gott und automatisch allen jenen, die nach der Liebe Gottes streben. Sie werfen ihre Perlen nicht vor die Säue, denn die Säue werden sie im Schlamm zertrampeln.
Das Gewicht der Verantwortung lastete auf mir wie ein bleiernes Kreuz, das ich allein und ohne die Hilfe der Heiligen nicht tragen würde können. Die Tage verflogen immer schneller bis ein Punkt kam, wo ich keine Zeit mehr hatte, um zu überlegen oder nachzudenken. Ich überantwortete mich den Heiligen und arbeitete ohne nachzudenken oder zu überlegen, noch mir Sorgen zu machen. Ich machte mir auch dann keine Sorgen wegen der Zeitknappheit, als immer mehr Motive und Symbole dazu kamen. Ich folgte einfach einem inneren Zwang und zugleich wurde ich von einer Ruhe erfüllt, als bewegte ich mich in einem luft-leeren Raum. Immer mehr Darstellungen fügte ich hinzu, welche weder von mir verlangt noch von mir geplant waren. Die dutzenden Skizzen und Zeichnungen die ich gemacht hatte waren unbrauchbar, denn ich improvisierte immer aufs Neue und alles fügte sich auf wunderbare Weise zusammen. Ich hatte mich zwangsweise überlassen und meine Hand wurde einfach geführt, ohne mir dessen bewusst zu sein. In den letzten Wochen arbeitete ich täglich bis lang nach Mitternacht ohne müde zu werden, denn es war eine süße Müdigkeit wie in Trance. Es war ein glückseliger Leidensprozess und obwohl die Zeit verstrich, übermalte ich und veränderte viele Darstellungen so oft bis sie zufriedenstellend waren, ohne unbedingt auf die Unterlagen zu achten. Ich war froh, dass Dr. Lässer mir vertraute und mich lange nicht nach dem Fortschritt der Ikone fragte und es dann doch eines Tages tat. Er fragte, mich ob ich mit dem Triptychon rechtzeitig fertig werden würde. Ich antwortete, nach menschlichen Ermessen nicht, aber es lag nicht an mir, sondern an den Heiligen, die mich forderten und lenkten. Also würden sie dafür sorgen, dass ich rechtzeitig fertig werde. Zum Schluss stellte sich heraus, dass alle Verzögerungen, Pannen, Fehler und Korrekturen ein Segen waren, denn ohne diese wäre das Triptychon nicht so geworden, wie es am Ende dann doch geworden ist. Ich war innerlich so unbeteiligt, dass ich selbst erstaunt war, die Arbeit doch fertig gestellt zu haben. Ob es gut war konnte ich nicht beurteilen, auch wenn es allen gefiel. Ich war während der ganzen Zeit so nach innen „vergessen“, dass ich selbst kein Urteilsvermögen mehr hatte und mir keine Meinung bilden konnte. Ich wunderte mich sogar über meine gefühlsmäßige Abwesenheit, denn keine Freude wollte aufkommen. Wahrscheinlich war die innere Teilnahme während des Vorganges so groß, dass es mir die Gemütsbeteiligung verhinderte. Inzwischen war es mir bewusst geworden, dass alle die Hindernisse und Schwierigkeiten nicht auf das Eingreifen böser Mächten zurückzuführen war, sondern eine Gnade Gottes.
Loukas Seroglou, Wien 18 November 2018